Interview für ‘The Librarian’

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Matthias Soeder ist Autor und hat im November 2017 sein erstes Buch im Genre Thriller veröffentlicht. Von Beruf ist er Pilot und fliegt dabei um die ganze Welt. Wenn er nicht fliegt, ist er in Unterfranken zu Hause. Nachfolgend findet ihr ein Interview mit dem Autor. Darin erfahrt ihr mehr über seine Tätigkeit als Pilot, was das mit seinem Buch zu tun und einige spoilerfreie Einblicke zum Buch.

Hallo Matthias,
vielen Dank für dieses Interview! Es freut mich sehr, dass du meine Fragen beantwortest. Ich habe versucht, die Fragen spoilerfrei zu stellen und gleichzeitig die Leser neugierig zu machen.
Würdest du Dich den Lesern bitte kurz vorstellen?

Autorenportrait Matthias Soeder.jpg

© Romana Kochanowski

Sehr gerne. Ich bin inzwischen 56 Jahre alt und immer noch kein bisschen weise. So langsam bezweifle ich, ob sich daran jemals was ändern wird. Als Frachtpilot düse ich durch die Welt und je mehr ich von der Welt sehe, desto mehr verstehe ich, was ‚Heimat’ bedeutet. Für mich ist diese Heimat im Norden von Unterfranken vor den Hügeln der Rhön. Obwohl … für ein paar Monate im Jahr könnte meine Heimat auch auf einem Segelboot sein, oder in Thailand, Australien, Neuseeland, Los Angeles …

Vor fast 30 Jahren entdeckte ich als Passagier in einem Segelflugzeug meine Leidenschaft zum Fliegen. Diese glühende Leidenschaft ist noch immer nicht abgekühlt. Vor einigen Jahren kam eine weitere Leidenschaft dazu. Das Schreiben von Geschichten nimmt inzwischen einen Großteil meiner Zeit ein.

Wie erwachte Deine Liebe zum Schreiben?

Als sich vor etwa sechs Jahren eine gravierende Veränderung in meinem Privatleben ereignete, erwachte wie aus dem Nichts plötzlich dieser Wunsch, einen harten Thriller zu schreiben. Vielleicht war es so etwas wie eine Eingebung. Diese hartnäckige Begierde erlaubte keine Widerrede. Ich überlegte mir einen Plot und fing an zu schreiben. Doch nach etwa 60 Seiten hatte ich keine Übersicht mehr. Ich verlor komplett die Kontrolle über meine Geschichte und so meldete ich mich zu einem zweijährigen Fernstudium im Fach ‚Belletristik’ an. Mit dem erlernten Wissen stürzte ich mich wieder auf mein Projekt. Das Ergebnis, ‚Herzschlag der Gewalt‘, ist seit Dezember in den Buchhandlungen zu bekommen. Je mehr ich schreibe, desto stärker wirkt dieser wunderbare Zauber. Inzwischen ist es wie eine Droge. Ich liebe diese Sucht.

Weshalb hast Du dich für das Genre Thriller entschieden?

Banner Herzschlag der Gewalt

© Matthias Soeder

Weil ich Thriller auch gerne lese. Erotik sollten wir schreiben, wurde uns im Studium gesagt. Dieses Genre verkaufe sich gut. ‚Fifty Shades of Grey‘ ist da wohl ein Paradebeispiel. Also versuchte ich mich in dem Genre ‚Erotik‘. Doch das Ergebnis war kläglich und diese Thematik machte mir keinen Spaß. Nur ein harter Thriller entflammt eine Leidenschaft, die mich alles um mich herum vergessen lässt.

Dein Hauptberuf ist Pilot. Ist das der Grund, warum auch Dein Hauptprotagonist Alexander Hartmann in „Herzschlag der Gewalt“ Pilot ist?

Ja. Wenn es ums Fliegen geht, kann ich natürlich aus dem Vollen schöpfen. Da brauche ich nicht zu recherchieren und kann sehr authentisch schreiben. Zudem hat mir die Kombination aus Pilot und Geheimagent zu gut gefallen, um sie nicht zu verwerten.

Wie schaffst Du es, trotz Deiner Tätigkeit als Pilot zu schreiben? Dadurch bist Du ja sehr viel unterwegs und siehst die ganze Welt. Hast du überhaupt noch Zeit für Hobbys?

Der Pilot Matthias Soeder

© Matthias Soeder

Na ja, das ist schon ein Problem. Ich schreibe, wenn ich im Hotel bin, oft auch im Flugzeug. Wenn ich zuhause bin, sowieso. Das Schreiben von Geschichten ist ein klasse Hobby. Man kann es überall tun. Neben dem Schreiben treibe ich auch gerne Sport. Doch der kommt seit einiger Zeit ganz klar zu kurz. Es ist eine Frage der Prioritäten und des Zeitmanagements. Die Priorität des Schreibens wird immer dominanter. Oje, wenn das so weitergeht, verkümmere ich noch hinter meinem Laptop.

Welches Ereignis war das Merkwürdigste, welches Du ihm Laufe Deiner Berufslaufbahn als Pilot erlebt hast?

Ich denke, es war der Flug mit einer Dornier 328- einem 30-sitzigen Passagierflugzeug – von London nach Sylt. Ich war Copilot. In etwa 7000 Meter Höhe gab es plötzlich einen Riesenknall. Die Frontscheibe auf der Kapitänsseite war spinnwebenartig aufgesprungen. Wir schnallten sofort unsere 5-Punkt-Gurte fest und setzen die Sauerstoffmasken auf. »Mayday, Mayday, Mayday«, funkte ich an den Lotsen. In Amsterdam führten wir eine Notlandung durch. Zum Glück gab es keinen Personenschaden. Wie es zu diesem Vorfall kam, wurde nie geklärt. Eine Spekulation war, dass wir eine Ente aufgegabelt hatten. Diese Vögel fliegen angeblich auch in so einer Höhe mitten in Wolken herum. Doch es gab keine Blutspuren. Ich glaube, es waren Außerirdische, die sich in der Wolke versteckt hatten und uns entführen wollten. Oh man! Was hätte ich da zu erzählen gehabt. Schade, dass die Entführung nicht klappte.

Warum hast du Dich entschieden, Somalia als Ort für den zweiten Handlungsstrang zu nehmen?

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© Matthias Soeder

Dafür gibt es mehrere Gründe:
– Die Probleme dort sind immer noch aktuell.
– Die Schlacht von Mogadischu eignete sich hervorragend für den Einstieg und die Vorstellung meines Antagonisten ‚Chibala‘.
– Da ich als leidenschaftlicher Segler nicht widerstehen konnte, musste auch ein Kapitel über das Segeln ins Buch. Somalische Piraten und ein Segelboot … das schreit nach einem deftigen Konflikt.
– Ich wollte auf die Problematik der Menschen in diesem Teil der Welt hinweisen. Kindersoldaten, Piraten, Warlords, Terroristen, Kriege, Hunger, Missbrauch und Gewalt. Das ist die traurige Realität in Somalia.

Hast du für die Abschnitte um Chibala in Somalia viel recherchieren müssen? Du hast hier einige Extremsituationen geschildert, von denen man immer wieder in den Nachrichten hört.

Somalia 2

© Matthias Soeder

Meine Erfahrungen und Gespräche mit Somaliern in Nairobi haben das Grundgerüst ergeben. In Houston traf ich einen somalischen Taxifahrer. Er war seit fünf Jahren in den USA und ist in Mogadischu aufgewachsen. Ich lud ihm zum Abendessen ein und von ihm lernte ich eine ganze Menge zum Thema Somalia, Piraten und Terror. Ach ja, ich habe auch meinen guten Freund ‚Google’ oft nach Rat gefragt.

Leider sind die Somalier nach wie vor nicht in der Lage, eine handlungsfähige Regierung zu etablieren. Der Report 2018 von ‚Human Rights Watch‘ bestätigt das. 1228 Zivilisten wurden 2017 getötet. Hauptsächlich von der Terrormiliz ‚Al Shabab‘. Am 14. Oktober 2017 tötete eine Bombe auf einem Lastwagen 358 Menschen in Mogadischu. Die Clans bekriegen sich noch immer, Vertreibung, Hunger, Vergewaltigung und der Missbrauch von Kindern sind noch immer das Grauen des täglichen Lebens. Das Thema in meinem Thriller ist leider noch immer schrecklich aktuell.

Die Ereignisse in Deinem Buch sind zum Teil sehr intensiv, hast Du ähnliche Dinge in deiner Berufslaufbahn gesehen oder selbst erlebt?

Leider. Ich habe in Nairobi tote Menschen auf der Straße liegen sehen. Es schien niemanden zu interessieren. Ich habe Gewaltausbrüche in Lagos und in Kinshasa erlebt. Ich wurde von betrunkenen Somaliern verfolgt, ich wurde in Nairobi von Soldaten verhaftet. Im Slum von Kibera habe ich eine Frau am Aids sterben sehen. Ich roch den Tod. Ich habe wirklichen Hunger bei den Straßenkindern gesehen und ich habe die Menschenverachtung erlebt. Genug Stoff, um ein sehr realistisches Horrorszenario zu entwerfen. Ein Horrorszenario aus der wirklichen Welt.

Wie kam es dazu, das du weltpolitische Probleme bzw. Ereignisse in deine Geschichte eingewoben hast?

Über den Wolken Matthias Soeder

© Matthias Soeder

Weil mich solche Geschichten faszinieren. Ich schreibe gerne so, wie ich auch lese. Und meine Lieblingslektüre sind harte Thriller, die mit tatsächlichen Begebenheiten vermischt werden. Und zwar so, dass man als Leser gar nicht weiß, ob nun Tatsachen oder Fiktion vorliegen. Es war allerdings eine verdammt harte Arbeit, die Zeiten und Fakten der realen Welt mit meiner Fantasie zu verflechten. Ich suchte mir die passenden Ereignisse aus, erstellte eine chronologische Achse und auf dieser Achse baute ich meine Geschichte auf.

Zum Teil sind die Ereignisse so intensiv, dass sie im tatsächlichen Leben stattfinden hätten können. War es Absicht, dass sich die Ereignisse so real anfühlen?

Absolut! Es war mein Bestreben, den Thriller möglichst real wirken zu lassen. Ich wollte, dass meine Texte unter die Haut gehen. Ich liebe intensive Beschreibungen. Wenn ich mir eine Szene überlege, stelle ich mir den Geruch, die Geräusche, den Geschmack des Blutes und die Schmerzen vor. Dann versuche ich, diese Eindrücke in Worte zu fassen. Einige der bekannten Autoren sind Meister in dieser Fähigkeit. Ich liebe ihre Beschreibungen und sie sind meine Vorbilder.

Die Gewaltdarstellungen sind oft ziemlich brutal und detailliert dargestellt. Dadurch hast Du die Wahrheit aus dem Leben in diesen Ländern schonungslos mit in die Geschichte eingebracht. Aus welchem Grund hast Du sie so genau beschrieben?

Bücher Herzschlag der Gewalt

© Matthias Soeder

Diese Gewalt gehört zu der Geschichte, zum Leben meiner Figuren. Hätte ich diese Gewalt nur angekratzt, wäre das Buch bestimmt weniger glaubwürdig geworden. Es war für mich also zwingend notwendig, auch bei den schlimmen Szenen ins Detail zu gehen. Das habe ich jedoch nicht ganz hinbekommen, weil sich die Gewalt in der Wirklichkeit noch schrecklicher darstellt. Doch diese Gewalt kann man keinem Leser zumuten. Ich musste also einen Kompromiss zwischen Realität und Verdaubarkeit hinkriegen. Ein Kompromiss ist nie perfekt, aber eine gute Annäherung an das Gesamtkonzept.

Alexander Hartmann ist eine Person mit vielen Facetten, er macht in deinem Buch eine starke Wandlung durch. Wusstest Du schon vor dem Schreiben, wohin ihn seine Handlungen eines Tages treiben werden oder wurde Dir das erst im Laufe der Geschichte bewusst?

Foto Signatur Herzschlag der Gewalt

© Viktoria M. Keller

Teilweise. Die grobe Struktur war gegeben. Zur Erzeugung von Alexander, wie für alle anderen Hauptfiguren in meinem Thriller, hab ich etwa eine Woche gebraucht. Doch Alexander war anders. Er hatte auch die Aufgabe, meine Biographie zumindest zum Teil zu tragen. Ich erlaubte meinen Figuren aber auch eine gewisse Selbstständigkeit. Manchmal kamen dabei überraschende Ergebnisse heraus. Allerdings musste ich aufpassen, dass meine Figuren sich nicht zu weit von meinen Gedanken entfernten. Stell dir vor, die Figuren fangen an, unkontrolliert ihre eigene Geschichte zu schreiben. Das wäre bestimmt ein interessantes Experiment.

Werden Deine zukünftigen Bücher ebenso aus dem Genre Thriller stammen? Hast du „schreiberisch“ schon Pläne für die nächste Zeit bzw. die nächsten Jahre?

Aber ja. Ich bin mitten in der Arbeit für meinen nächsten Thriller. Doch seid vorgewarnt. Es geht wieder mächtig zur Sache. Vielleicht noch mehr, als bei meinen Debüt. Ich hoffe, Mitte 2019 das Buch veröffentlichen zu können. Die Pläne für die nächsten Jahre? Schreiben, schreiben, schreiben.

Herzlichen Dank für den Einblick in die Entstehung deines Buches und die Hintergründe dazu. Es war sehr interessant zu erfahren, welche Rolle dein Beruf bei dem Ganzen hatte.